Mette Böll steht lächelnd vor einem Publikum welches man nur angedeutet sieht. Hinter Ihr ist eine Leinwand mit einer Präsentation.

Impulse aus dem Vortrag von Dr. Mette Miriam Böll (MIT Systems Awareness Lab) 

Kürzlich hatte ich das große Vergnügen, einen Vortrag von Dr. Mette Miriam Böll zu erleben. „Mit Empathie ein zukunftsfähiges Bildungssystem gestalten“  – und was soll ich sagen: Ich kam mit Fragen zur Bildung und ging mit einem ganz neuen Blick auf die Welt und mich.

Bildung als lebendiges System

Mette spricht von „Compassionate Systems Change“ – einem Ansatz, der Bildung nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil eines großen Ganzen: Familien, Schulen, Politik, Wirtschaft – alles ist miteinander verbunden. Und trotzdem scheitern viele gut gemeinte Reformen. Warum? Weil wir versuchen, ein System zu ändern, ohne die Menschen darin mitzudenken. Wir sind das System. Und wenn wir uns nicht verändern, bleibt auch alles andere gleich.

Das Eisbergmodell: Was wir sehen – und was darunter liegt

Besonders eindrücklich fand ich das sogenannte „Eisbergmodell der Systemwahrnehmung“. Ganz oben – sichtbar wie die Eisbergspitze – liegen die „Events“. Also alles, was laut ist, blinkt und Aufmerksamkeit will: Schlagzeilen, Unterrichtsausfälle, Social-Media-Dramen. Unsere Welt ist voll davon. Doch das meiste liegt unter der Oberfläche: Routinen, Strukturen, unbewusste Denkweisen, die sich über Jahre und Jahrtausende verfestigt haben.

Wenn wir nur auf die sichtbaren Probleme reagieren (z. B. Mobbing → Anti-Mobbing-Programm), verpassen wir die Chance auf echten Wandel. Denn die Verhaltensmuster, aus denen diese „Events“ – oder Probleme entstehen, sind über Jahrhunderte eingespielte Muster, aus tief verankerten Strukturen, die sie ermöglichen, wie: Wer redet wann im Teammeeting? Wer bestimmt den Lehrplan? Wer wird gehört – und wer nicht?

Tief unten: Unsere blinden Flecken

Und unter diesen jahrelang eingespielten Verhaltensmustern- sozusagen ganz unten im Eisberg – befinden sich die systemischen Strukturen („Artefakte“) und unsere „mentalen Modelle“ – also die unbewussten Überzeugungen, die sich in diesen Strukturen und in unserem Handeln widerspiegeln. Beziehungsweise: gegenseitig beeinflussen, wie zum Beispiel: „Schule ist nicht zum Spaß da.“ Oder: „Erfolg bedeutet gute Noten.“ 

Solche inneren Überzeugungen geben den Takt vor – oft über Generationen hinweg.  Sie prägen die Art, wie Lehr- und Stundenpläne aufgestellt werden, wie wir Erfolg messen (und wonach wir uns ausrichten). Solange wir diese inneren Überzeugungen nicht in uns erkennen und uns der wechselseitigen Beeinflussung bewusst sind, verändern wir weder die Ereignisse die an der Oberfläche sind, noch das Fundament, auf dem sie basieren.

Warum das dringend nötig ist

Für Mette ist klar: Unsere Kinder sind kein individuelles „Problem“, das die Schule zu lösen hat. Sie sind der Spiegel der Welt, in die sie hineingeboren wurden – und sie zeigen uns deutlich, dass diese Welt gerade nicht gesund ist. Psychische Krisen, Zukunftsangst, soziale Spaltung – all das sind keine Zufälle, sondern Ausdruck tiefer systemischer Schieflagen.

Was wir tun können

Mette spricht von „Good Ancestor Cities“ – also Städten, die bewusst Strukturen schaffen, in denen Menschen (und besonders Kinder) gedeihen können. Und sie macht Mut: Wir müssen nicht auf die große Weltrettung warten. Veränderung beginnt lokal – in Klassenzimmern, Teams, Nachbarschaften. Und sie beginnt mit einem ehrlichen Blick unter unsere eigene Wasseroberfläche. Dort können wir uns dann Fragen: Welche Struktur kann ich in meinem Umfeld schaffen, so dass Kinder gut gedeihen können? 

Meine drei Highlights: 

Wir sind das System

Es gibt keine Hilfe von „außen“ oder „oben“. Der Mensch ist Teil der Natur. Momentan sind wir das in vielen Bereichen allerdings nicht mehr. Wie beispielsweise an der Sehnsucht zu erkennen ist, den Mars besiedeln zu wollen. Aber wenn wir uns ihr wieder zuwenden, werden wir wieder Teil von ihr. 

Das Eisbergmodel

Es zeigt, wenn wir echte Veränderung wollen, reicht es nicht, nur auf das Sichtbare zu reagieren. Wir müssen den Blick nach innen richten – auf Muster, Strukturen und tief verankerte Überzeugungen. Erst dort beginnt echter Wandel, weil die Strukturen, die wir heute schaffen, Teil der Überzeugungen sind, die wir „geerbt“ haben. 

Ein Gespräch, bei dem die Teilnehmenden in ihr Erleben eintauchen können.

Inspiriert wurde diese Gesprächsform durch die „Evokationstechnik,“ die für  mikrophänomenologische Interviews (Petitmengin, 2006) entwickelt wurde. Sie ist dem erlebnisorientierten Ansatz bei Empathie macht Schule sehr ähnlich. 

Mit ihr  kann jede*r von uns unter der Wasseroberfläche eigene generative soziale Felder erleben – und bei anderen beobachten – (d.h. eine Situation, in der die Person etwas Positives erlebt hat. Beispielsweise, der Mathelehrer, der zunächst nicht wusste, weshalb seine Schüler*innen erfolgreich in seinem Unterricht abschneiden. Er stellte mit dieser Methode fest, dass er seinen Schüler*innen die Schönheit der Mathematik vermittelt, anstatt: „Mathe versteht sowieso keine*r.“

Man braucht dafür drei Personen und 30 Minuten Zeit. In jeweils 10 Minuten nimmt jede*r dann jeweils jeder der folgenden Rollen ein: Fokusperson, Interwiewer*in, Beobachter*in. 8 Minuten lang wird dann anhand von Fragen zu Zeit, Ort, gesehenem, gehörtem, im Körper empfundenen und dem sozialen dieser Moment nochmal beleuchtet, wie mit einer Taschenlampe. Und in den restlichen 2 Minuten berichten die Beobachter*innen welche Veränderungen sie bei den beiden Gesprächspartner*innen erlebt haben und bei sich. 

  • Fokusperson: Ihre Aufgabe ist es eine konkrete Erfahrung eines generativen sozialen Feldes aus zu wählen
  • Interviewer*in: Ihre Funktion ist, die Fokusperson zu bitten, ein solches Mikro-Erlebnis auszuwählen. Sowie das feststeht, hilft sie der Fokusperson mit Fragen.
  • Beobachter*in: deinen Aufgabe ist es das zu erleben, wie es zwischen den beiden Diaolgparte*innnen ist, wenn über das generative soziale Felder erleben

Fragen:

Zur zeitlichen und räumlichen Einordnung:

•Wann war es?

•Wo war es?

•Nimm dir Zeit, um zu diesem Moment zurückzukehren…

Visuelle Fragen:

•Wenn du zu diesem Moment deiner Erfahrung zurückkehrst, was siehst du?

•Beschreibe diesen Ort oder diese Szene, so wie du sie damals gesehen hast.

•Schau dich erneut um (in deiner Erinnerung) – was siehst du?

Übergang: Und in dieser Erfahrung könnte es auch Geräusche geben…

Auditive Fragen:

•Was hörst du?

•Welche Geräusche, Stimmen oder Gespräche sind zu hören?

•Lausche erneut allem, was du damals gehört hast. Übergang: Während du weiterhin alles hörst, lasse auch die körperlichen Empfindungen wiederkommen.

Fragen zu körperlichen und emotionalen Empfindungen:

•In dieser Erfahrung, wie erlebst du deine Körperhaltung?

•Was fühlst du in diesem Moment?

•Rufe die körperlichen Empfindungen und Emotionen zurück – gibt es eine Empfindung im Bauch? Im Kopf? In

den Füßen? Im Herzen? Oder irgendwo anders?

Fragen zum sozialen Feld:

Wenn du einen Schritt zurücktrittst, wie nimmst du in diesem Moment das soziale Feld in dieser Situation wahr?