11. April 2024 | mona kino

„Am allerliebsten wäre mir, wenn Empathie macht Schule auf Bundesebene eingeführt würde.“

Erlebnisse mit dem Schulprojekt aus der Perspektive eines Elternteils

Als mein Sohn fünf war, habe ich mich erkundigt, welche Arten von Schulen in unserer Nähe und auch außerhalb des Einzugsgebiets sind. Ich war auf der Suche nach einer  Schule für unseren Sohn, die nicht so starr ist, wie ich es aus meiner Schulzeit kenne. Die Lehrer stehen vorne und die Kinder müssen zuhören. Und es wird viel über Disziplin und Strafen beschult. Das passt einfach nicht zu dem, wie wir hier zu Hause leben. 

Bei der Recherche bin ich auch auf die Grundschule am Gutspark gestoßen. Auf der Webseite hat nicht sofort das Wort Empathie in Empathie macht Schule angesprochen. Ich dachte: Das ist es. Und nachdem ich mir neugierig alles über das Schulprojekt bis zum Ende durchgelesen habe, war klar: das ist meine Wunschschule.

Als ich groß wurde, haben die Erwachsnen bestimmt, was richtig und falsch ist. Gefühle, die positiv waren, wie Fröhlichkeit, waren erwünscht, aber wenn ich unruhig war, hat mir das immer Ärger eingebracht. Das schönste ist für mich heute als Mutter zu erleben, dass Schule anders sein kann. Dass Kinder aufmerksam sein können, wenn man sie nicht anschreit,  wie in meiner Schulzeit, oder damit droht: „Wenn es hier nicht still ist, dann schreiben wir jetzt einen Test!“ Dass sich Kinder wohl fühlen und gerne lernen, wenn man sich als Erwachsener erstmal fragt: „Was ist denn hier gerade eigentlich wirklich los? Auch bei mir.“ Und wenn dann erst entsprechend gehandelt wird. Wenn ich mir überlege, wie klein die Kinder noch sind, wenn sie in die Schule gehen. Das ist doch klar, dass sie auch mal aufgeregt oder unruhig sind. Ich freue mich sehr, dass mein Sohn diese Erfahrung macht. Dass er ernst genommen und gesehen wird und die Klassenlehrerin sich in seine Perspektive hinein versetzen kann. 

In der ersten Klasse kam mein Sohn zum Beispiel immer ganz aufgeregt nach Hause und hat erzählt, dass sie heute auf die Stühle geklettert sind. Und ich dachte, toll, das steht nicht nur auf der Webseite, sondern das Programm wird auch umgesetzt. Ich war dann auch bei den Eltern-Kind-Nachmittagen, die angeboten wurden. Ich wollte einen Einblick bekommen, was die Lehrer:innen so bei EMS lernen, ich wollte die Trainer:innen kennenlernen, Fragen stellen und mich mit den anderen austauschen, deren Kinder auch an der Schule sind. 

Beim zweiten Mal war ich in einer Gruppe, in der vier sehr wilde Jungs waren. Ich habe versucht einfach ganz ruhig zu bleiben. Wenn einfach mal so einfach wäre. Ich habe mich auf meinen Atmen konzentriert und meine Aufmerksamkeit auf das, was vermittelt wurde gelegt, anstatt auf die Jungs. Als ich das den Trainer:innen rückgemeldet habe, haben sie gesagt, dass wir dann mal eine Übung machen und sehen werden, ob die Jungs dabei ruhiger werden. Und sie haben hinzugefügt, dass das vielleicht aber auch nicht klappt. Das was sehr wertvoll für mich. Das zu akzeptieren was gerade da ist. Und kein bestimmtes Ziel zu verfolgen und zu denken, das ich „es“ nicht geschafft habe, für Ruhe zu sorgen. Denn, ja, vielleicht klappt etwas, vielleicht auch nicht. Wenn seitdem bei uns zu Hause mal alles drunter und drüber geht, habe ich bemerkt, dass sich die Atmosphäre verändert, wenn ich mich entspanne. Anstatt meinem Impuls nachzugehen mich aufzuregen, schaffe ich dann ganz bewusst Abstand.  Da wo ich gerade bin, mache ich ganz bewusst einen Schritt zurück. Richte mich auf und atme durch, so dass ich wieder klar denken kann.

Manchmal schlage ich meinem Sohn auch nachmittags vor, dass wir uns fünf Minuten auf den Boden legen und Gefühle fühlen. Oder ich lese mir eine der Übungen durch, die bei Empathie macht Schule auf der Webseite zu finden sind. Die Stuhlübung, von der mein Sohn erzählt hat, finde ich auch super. Sie schafft eine Verbindung zwischen uns, die anders ist, als wenn wir spielen. Aber die Übungen unterstützen mich auch, bei Begegnungen im sonstigen Alltag. Wenn ich weiß, dass sie für mich herausfordernd sind, denke ich an das was die Trainerinnen zu den Übungen mit den vier wilden Jungs gesagt haben. Ich mache mir klar, die Situation so zu nehmen wie sie ist, anstatt sie verändern zu wollen. Ich erinnere mich daran, den Anderen so nehmen wie er ist und dass ich in meiner Kommunikation klar bleibe. Ich frage mich bewusst vorher: „Was möchte ich?“ Und achte während des Treffens darauf, das klar zu kommunizieren. Dass ich meine Atmung dabei immer als Tool zur Verfügung habe, um mich wieder zu erden, ist cool zu wissen.

Ich würde sehr gerne mal hören, wie es der Lehrer:in mit der Klasse geht, seit sie bei dem Schulprojekt dabei ist. Was hat sich für sie konkret verändert? Wie wendet sie das Gelernte an? Aber das liegt natürlich daran, dass ich daran einfach sehr interessiert bin. Ein Elternbrief, ein- oder zweimal im Jahr, würde da auch schon helfen, in dem sie uns Eltern an Ihrer Reflexion teilhaben lassen. 

Ich wünsche mir jedenfalls, dass Alle diese Übungen machen, weil sie mich und meinen Sohn einfach immer wieder ins Gleichgewicht bringen. Auch wenn ein Tag mal nicht so stressig ist. Und ich würde mir wünschen, dass das Programm nach der wissenschaftlichen Evaluierung an anderen Schulen weitergeht. Am liebsten an allen Berliner Schulen. Dem Projekt, den Kindern, dem Schulpersonal und den Eltern wünsche ich jedenfalls von Herzen, dass es die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie weiter fördert, weil aus meiner Sicht, Schulen genau das brauchen. Und am allerliebsten wäre mir natürlich, wenn Empathie macht Schule auf Bundesebene eingeführt würde.

Das Gespräch führte Mona Kino.