Nach jetzigem Stand müssen wir uns auf eine weitere Runde Schulzeit zu Hause einstellen. Ich weiß nicht, welche Reaktionen diese Nachricht bei dir auslöst – aber ich will dich gerne dazu anregen, das auch als Chance zu sehen. Die Ferien sind ein „Stopp“ zwischendrin und bieten uns die wunderbare Möglichkeit, innezuhalten – zu reflektieren, auszusortieren was nicht geklappt hat und vielleicht das eine oder andere Detail der „Schule zu Hause“ neu zu denken.
Ich will dich ermutigen, dir für dieses Nachdenken Zeit zu nehmen, und mit dir teilen, welche Gedanken für mich als Mutter, Lehrerin und Familienberaterin im Mittelpunkt stehen.
1. Du bist nicht die Lehrer*in deiner Kinder! Du bist Mutter oder Vater!
Du bist verantwortlich für die Atmosphäre zu Hause. Du bist verantwortlich dafür, dass euer Zuhause ein Ort ist, wo jede*r so sein kann, wie er/sie ist; ein Ort zum Sich-Geborgen-Fühlen und Kraft-Schöpfen. Du bist dafür da, deinem Kind den Rücken zu stärken und es zu unterstützen, wenn es allein nicht weiterkommt.
Die Schule und die damit verbundenen Schulaufgaben gehören jedoch zum Leben deines Kindes und liegen in seiner Verantwortung. Signalisiere, dass du da bist und bereit zu helfen, wenn es Hilfe braucht, aber mache die Schule und das schulische Lernen nicht zu deinem Projekt.
2. Sei gut zu dir!
In diesen Tagen, die sich oft unsicher und chaotisch anfühlen, ist es manchmal eine wirklich schwere Aufgabe, Eltern zu sein. Gerade jetzt ist es wichtig, dass du dein Wohlbefinden auf der Prioritätenliste ganz weit nach oben setzt. Was brauchst du, damit es dir gut geht? Und wie geht es dir wirklich, unter der Oberfläche? Kannst du mit einem anderen Erwachsenen darüber reden?
Je besser es dir geht, umso besser geht es deinem Kind. Du bist offener, geselliger, spontaner und wenn dein Kind dir seine erledigten Aufgaben zeigen will, fällt es dir leichter, nicht mit dem bewertenden „richtig/falsch-Blick“, sondern wie der kleine Prinz auch mit dem Herzen zu schauen.
3. Was machst du denn gerne mit deinem Kind, was macht dir Spaß?
Einkuscheln und (Vor-)Lesen? Regale bauen? Kuchen backen? Egal, was es ist – Lernen ist immer dabei! Kinder lernen ohne unser Zutun, das ist ihnen angeboren. Warum also nicht das gemeinsam machen, was euch beiden Spaß macht? Begeisterung ist ansteckend! Und aus meinem Lehrerinnen-Blick ist Kuchenbacken beispielsweise ein supercooles fächerübergreifendes Mathe-NaWi-Projekt: Messen/Wiegen, Mengenvorstellungen entwickeln, mit Maßeinheiten umgehen, Stoffe und Stoffgemische kennenlernen, chemische Reaktionen beobachten und zum Schluss eine Menge über Biologie erfahren…
4. Überlege, ob du dich mit deinem Kind zu einer „Besprechung“ treffen willst und tu es, wenn dir die Idee gefällt.
Wenn es bei euch oft Streit wegen der Schule gab und du das Gefühl hattest, du musst mit viel Kraft dafür sorgen, dass alle Aufgaben erledigt sind, dann ist es vielleicht so, dass du die Schulaufgaben zu sehr zu deinem Projekt gemacht hast.
Du könntest etwas sagen wie: „Vor den Ferien hatten wir hier zu Hause oft schlechte Stimmung, wenn es um die Schulaufgaben ging. Ich will dich so gern unterstützen, aber ich habe gemerkt, dass meine Art, zu helfen, oft zu Streit geführt hat. Jetzt will ich es anders machen – ich gebe die Verantwortung für deine Schulaufgaben in deine Hände. Wenn Du Hilfe brauchst, unterstütze ich dich gern, dann sag mir bitte Bescheid.“
Schaffe für das Gespräch eine Atmosphäre, die deutlich macht, dass es etwas Besonderes ist. Stimme dich vorher darauf ein, vor allem zuzuhören und halte dich mit Ratschlägen zurück. Vielleicht will dein Kind auch erstmal nichts dazu sagen und du erfährst alles Wichtige in den nächsten Tagen. Und erwarte nicht, dass sich alles sofort ändert.
Ich kann dir aus meiner Lehrerinnenerfahrung versichern, dass Kinder diese Verantwortung übernehmen können. Manche brauchen etwas mehr Orga-Unterstützung, andere organisieren sich fast mühelos, brauchen aber immer mal wieder Zuspruch. Du bist der Coach im Hintergrund und vielleicht manchmal ein Schutzengel.
Gib euch Zeit! Ein nicht perfektes „Allein-Geschafft“ ist hundertmal mehr wert als ein mit Tränen, knallenden Türen und lautem Streit erkämpftes Arbeitsblatt mit richtigen Lösungen. Etwas Schwieriges zu schaffen und Vertrauen zu spüren, auch wenn mal nicht alles auf Anhieb klappt – das motiviert! …Nicht nur die Kinder!
5. Begeht den Übergang von den Ferien zur Schulzeit mit einem kleinen Ritual
Vielleicht ein besonderes Ferienabschlussessen? Oder eine kleine Zuckertüte für diesen kleinen „Schulanfang“? Oder eine witzig gepackte Brotbüchse am Montagmorgen?
Ich wünsche euch eine gute Zeit und viele spannende Erlebnisse!
Kristina Schramm
Mutter, Lehrerin, Familienberaterin
Vermittlungsteam von Empathie macht Schule
Titelphoto „Zuckertüte“ von pixabay