7. Mai 2020 | ina rohde

Auf Geräusche lauschen – eine Übung

Kannst du dir vorstellen wie laut es in einer Klasse sein kann, wenn mehr als 20 Kinder in den Raum stürmen, wenn einige sich streiten und andere quer durch den Raum rufen? Und kannst du dir vorstellen wie ruhig und leise es in demselben Raum mit denselben Kindern sein kann, wenn alle leise und konzentriert arbeiten?

Ich vermisse beides: Die Lebendigkeit und auch die die konzentrierte Stille. Ich kann mir gut vorstellen, dass Geräusche auch bei dir zuhause ein Thema sind, vor allem die Lautstärke, wenn alle gleichzeitig in der Wohnung sind! Kinder stecken durch ihre Lebendigkeit und den Drang nach Bewegung gewissermaßen von Natur aus voller Lautstärke und Geräusche. Das ist oft anstrengend und dennoch gehört es zum Leben dazu.

Vielleicht ist diese Übung aus dem Buch „Achtsam durch den Tag“ deshalb genau das Richtige für dich und deine Familie: Klänge und Geräusche hören. Stelle dir vor du kommst von einem fernen Planeten – mit Ohren so riesig wie Radarantennen. Alle Geräusche sind neu für dich. Halte mehrmals am Tag inne und erlausche sowohl die deutlich wahrnehmbaren als auch die ganz leisen Geräusche.

Lausche, als ob du nicht wüsstest, woher diese Geräusche kommen. Lausche…

… in deinen Körper 

… ins Zimmer hinein 

… ins ganze Gebäude

… nach draußen.

Achte dabei auf deine Atmung und deine Gedanken: Welche Gefühle machen sich bemerkbar? Beobachte sie und versuche, sie nicht zu verändern oder zu bewerten.

Wenn du wütend bist, weil deine Kinder so einen Krach machen, nimm es wahr und sage dir innerlich „Ja, das macht wütend!“

Und wenn du ganz freudig und entspannt dem Atmen deines leise malenden oder schlafenden Kindes lauschst, nimm auch das wahr – und nimm es innerlich dankbar an.

Nimm dir am Abend ein paar Minuten Zeit und spüre in dich hinein, ob diese kleine Übung etwas verändert hat. Wie fühlen sich dein Körper und deine Atmung jetzt an? Wie deine Gedanken? Wie ist dein Gefühlszustand? Gibt es eine Veränderung? 

Versuche deine Reaktionen nicht zu bewerten, sondern sieh sie dir an, und nimm die ganze Bandbreite von Möglichkeiten interessiert und dankbar wahr.

portrait Ina Rohde

Ina Rohde
Kinderkrankenschwester, Grundschullehrerin und Sonderpädagogin
Vermittlungsteam von Empathie macht Schule

Titelbild „kanadische Krähe“/public domain