Ein Freund fragte mich beim Spazierengehen: „Also, was hat sich für dich mit diesem Emptahietraining verändert?“ Nach ein paar Minuten fiel mir die erste Erfahrung ein, das ich noch während der Ausbildung gemacht hatte.
„Ich habe meine Sporttasche vergessen“, sagte mein Sohn auf dem Rücksitz unseres Autos. Wir waren gerade an seinem Tischtennis-Trainingszentrum angekommen. Wie in dem Film „Inside out“ traten in meinem Kopf mein persönlicher Kriegsminister und mein Innenminister zu einer Besprechung zusammen, um festzulegen, welche Art von Embargo ich mit sofortiger Wirkung umsetzten sollte. Doch dann dehnte sich die Zeit irgendwie. Es begann damit, dass ich merkte, dass mir auch der Atem im Hals stecken blieb. Das passiert immer, wenn ich wütend bin. Und während ich mich darauf konzentrierte, diesen Bereich zu entspannen, konnte ich mir ihre Argumente anhören.
Kriegsminister: „Er wusste, dass du eine wichtige Verabredung hast, gleich nachdem du ihn zum Training gebracht hast. Wie oft willst du dich noch von ihm verarschen lassen? Das Computerspielen ist für vier Wochen einzuschränken, ohne Erklärungen.“
Innenminister: „Ich denke, wir sollten ihm erklären, warum wir glauben, dass dies die Folge von zu viel Spielen ist und ihm sagen, dass wir das nächste Mal das Wlan sechzig Minuten vor Verlassen des Hauses abschalten.“
Kriegsminister: „Du und deine ganzen Erklärungen. Er ist zehn! Du solltest lieber nach den Gründen für das viele Spielen suchen und dich jetzt ganz auf die Lösung des Problems konzentrieren: wie du den wichtigen Termin schaffst und die Sporttasche rechtzeitig bekommst…“
Während ich meinem Atem folgte, folgte ich auch meinen Gedankenmustern. Normalerweise hätte ich mich gleich für den ersten Ratschlag entschieden, aber jetzt tat ich etwas anderes. Ich überprüfte die Zeit. Es war noch genug Zeit, um nach Hause zu fahren, die Tasche zu holen, und wenn ich nicht rechtzeitig zu meinem Termin kommen würde, würde ein Telefonanruf das Nötige tun, um mich für mein Zuspätkommen zu entschuldigen.
Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, um ihm meine Entscheidung mitzuteilen, konnte ich seine Angst in seinen Augen sehen, ebenso wie die meiner Tochter, die neben ihm saß. Die Angst, dass mein Kriegsminister gleich herauskommen würde. Auch ihr Atem stockte und ich erlebte, was meine Wut so oft in ihren Körpern verursacht haben musste.
Ich sagte ihnen, dass es mir leid tut, wenn ich ihnen Angst mache – und dass wir umkehren könnten, um die Sachen zu Hause zu holen. Beide entspannten sich innerhalb von Sekunden.
Ich drehte mich zu meinem Freund um, der immer noch mit mir auf der Bank saß. Er fragte: „Und wenn Du keine Zeit gehabt hättest?“ „Dann hätte ich genau das gesagt“. Es ging ja mehr ums Innehalten, darum, zu bemerken, was in mir gerade los ist. In diesem Fall: Überforderung, die sich bei stockendem Atem in Wut Ausdruck verleiht. Die sich den Kindern und einem Sportbeutel gegenüber verhält als stünde da ein Säbelzahntiger. Und die, wenn ich bis zehn zähle und wieder fließendem Atem, Zugang zu Alternativen möglich macht. Wie beispielsweise: „Okay, meinst Du Dein Freund Justus hat noch Sportsachen dabei?“ Oder, „Was brauchst Du von den Sachen wirklich, lass mal überlegen?“
Natürlich gibt es immer noch Momente, in denen ich jetzt wo meine Kinder Jugendliche sind, denke, dass alles in meinem Leben feststeckt und für die Ewigkeit manifestiert ist. Und an manchen Tagen scheinen diese Momente ewig zu dauern. Aber das tiefe Verständnis für die Natur der Kreativität hilft mir, schneller an den Punkt zu kommen, dass nichts ewig dauert. Ich weiß, dass in ein paar Minuten die unangenehmen Gefühle verschwunden sind. So wie auf Blitz und Donner die Sonne folgt.
Mona Kino
Drehbuchautorin, Familientherapeutin und Supervisorin
Vermittlungs- und Presseteam bei Empathie macht Schule
Titelphoto von Mona Kino.