19. März 2023 | johanna etzold

Ja, Nein, Jawohl

Neulich hat mir ein Kollege davon erzählt, dass er seiner Partnerin jeden Gefallen tut, alles möglich macht, wenn sie ihn um etwas bittet. Und, dass er das auch von ihr erwartet. „Wenn ich immer Ja sage, dann möchte ich auch immer ein Ja zurückbekommen.“

Ich habe dann an meine Arbeit in der Schule zurück gedacht. Und nach einer Weile sind mir immer mehr Situationen eingefallen, in denen ich auch Ja gesagt habe, obwohl es in mir eine Stimme gab, die Nein sagen wollte. 

Eine Kollegin brauchte zum Beispiel Hilfe beim Kopieren. Ich hatte keine Zeit und habe es trotzdem gemacht. Heute betrachtet, fühlte sich dieses Ja eher wie ein Jawohl an. Ich habe aus einem Pflichtgefühl heraus gehandelt und mein Nein nicht ernst genommen.

Bei Jesper Juul habe ich den Satz gelesen: „Ein Nein zu einem anderen ist ein Ja zu sich selbst.“ Und wenn ich das umdrehe, dann ist ein Jawohl zu einem anderen, auch ein Nein zu mir. 

Und wenn ich mich jetzt weiter bei meinem Ja-sagen beobachte, dann fällt mir auf, dass ich oft ganz schnell einer Bitte von anderen nachkomme. Wie kommt es, dass ich so schnell Ja sage? 

Ich denke, dass es von mir erwartet wird. Wenn jemand etwas von mir möchte, meine Hilfe braucht, dann muss ich sie auch geben und will meine Kollegin nicht enttäuschen.

Und dann gibt es auch noch eine Stimme in mir, die fragt: „Wie wird es wohl für den anderen sein, wenn ich Nein sage?“ So geht es mir vor allem mit Menschen, die mir sehr nah sind. Dann fühle ich mich schnell verantwortlich dafür, dass es dem anderen gut geht und gehe dabei mitunter über meine Grenzen. Oder ich habe ein schlechtes Gewissen Nein zu sagen. 

Durch die Arbeit bei dem Projekt Empathie macht Schule und meine Ausbildung zur Familientherapeutin am Deutsch-Dänischen Institut für Familientherapie habe ich mich mit meinen Grenzen und meiner Tendenz über diese zu gehen auseinandergesetzt. Ich habe festgestellt, dass ein Jawohl bei mir zu Frustrationen führt und den Kontakt zu dem Menschen behindert, dem ich dieses gebe. Das will ich nicht. Und deshalb nehme ich mir seitdem für die Antwort Zeit, um nicht auf jede Anfrage sofort zu reagieren, sondern meine Position zu finden. 

Mitunter gibt es natürlich nicht so viel Zeit. Die Antwort, ob ich beim Kopieren helfen kann, braucht meine Kollegin sofort. Dann kann es mir helfen, einen tiefen Atemzug zu nehmen, dann kann aus dem Jawohl ein Ja werden oder auch ein „Nein, jetzt habe ich keine Zeit.“ Das Atmen hilft mir, meinen Körper zu spüren und der gibt mir oft eine Antwort.

Und dann bleiben immer noch die Situationen, in denen mir das nicht gelingt, Nein zu sagen – und dann sage ich mir: „Ja, so ist das.“ Und, dass das für mich schwierig ist, hat etwas mit mir zu tun.

portrait Johanna Etzold

Johanna Etzold
Lernbegleiterin, Psychologin und Mutter von drei Kindern
Vermittlungsteam von Empathie macht Schule

Titelphoto:privat