Als Mutter von zwei Teenagern und als Deutsch und Französisch Lehrerin an der Sophie-Opel-Schule in Rüsselsheim (Rhein-Main-Gebiet) ist für Agnieszka Oechsle das gelassene Miteinander sehr wichtig. Zufällig entdeckte sie in dem Buch von Mona Kino „Zeit für Empathie“ auch die Grundübungen des Schulprojekts „Empathie macht Schule“. Was sie damit erlebt hat, hat sie für uns aufgeschrieben.
Da ich schon während der Lektüre des Buchs problemlos einige Übungen und Ideen im Familienleben anwenden konnte, entschloss ich mich in der Woche vor den Herbstferien, sowie in der ersten Woche danach in verschiedenen Unterrichtsstunden die Körper- und Atemübungen durchzuführen. Die Übungen machte ich in der Jahrgangsstufe 8 in allen drei Schulzweigen (Gymnasium, Realschule und Hauptschule). Alle drei Klassen sind sehr heterogen.
Bei meinem ersten Versuch in einer 8. Klasse des Gymnasiums in der 6.Stunde an einem Montag war diese sehr aufgebracht, denn in der 5.Stunde wurde eine Arbeit geschrieben. Die acht Schülerinnen und elf Schüler konnten sich nicht beruhigen und wollten sich ständig über die Aufgaben austauschen. Ich bat sie, sich auf ihre Plätze zu begeben, sich hinzusetzten und ihre Augen zu schließen. Diese Bitte war so ungewöhnlich, dass die SuS sie direkt umgesetzt haben. Ich begann leise die Körperübung (https://www.empathie-macht-schule.de/praxis/grunduebungen/) vorzulesen. Es war erstaunlich, denn ich erlebte noch nie eine solche Ruhe in dieser Klasse. Die SuS waren am Ende der Übung entspannt und haben gelächelt. Ich fragte sie, wie es ihnen bei der Übung ergangen war. Vor allem Mädchen erzählten von der inneren Beruhigung und einer angenehmen Wärme. Die Jungen wollten erstmal nichts berichten, dann trauten sich doch noch einige und erzählten, dass das Gefühl „komisch“ gewesen sei, aber doch recht „angenehm“. Ich wiederholte die Übung in der Lerngruppe insgesamt drei Mal. Jedes Mal funktionierte es immer besser. Bei letzten Mal forderten die SuS mich auf, den Unterricht mit der Übung zu beginnen.
Bei meinem ersten Versuch in der Mentorenstunde in einer 8. Klasse der Hauptschule ebenfalls an einem Montag, bat ich die 8 Schülerinnen und 12 Schüler den Klassenraum zu verlassen und sich im Kreis auf dem Markt hinzusetzten, das ist ein Platz auf dem Flur mit Sitzgelegenheiten zum Ausruhen oder zur Einzelarbeit. Sie nahmen ihre Stühle und setzten sich hin. Ich begann auch hier leise den Text der Körperübung zu lesen. Es dauerte ein bisschen länger, bis die Klasse sich beruhigte. Einige Jungs wollten sie nicht mitmachen, sie lachten immer wieder während der Übung und störten. Ich ließ mich aber nicht entmutigen und las den Text bis zu Ende. Eine 8.Stunde in der Hauptschulklasse ist meist problematisch, jedoch nach dieser Übung, auch wenn sie nicht zu 100% gelungen war, konnte ich bemerken, dass sie beruhigend wirkte. Die Behandlung eines geplanten Themas ist wesentlich unkomplizierter verlaufen als sonst. Auch nach den Ferien begann ich meine Mentorenstunde mit der Atemübung. (https://www.empathie-macht-schule.de/praxis/grunduebungen/) Interessant war für mich, dass sich diesmal viele auf die angekündigte Übung freuten. Eine Schülerin erzählte, dass es in ihrem Arm sehr angenehm kribbelte.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass das, was ich in der kurzen Zeit ausprobieren konnte, von meinen Schülerinnen und Schülern positiv angenommen wurde. Auch wenn es „nur“ kleine Veränderungen sind, sind diese sofort bemerkbar.
Für mich bedeutet diese Erfahrung viel. Denn auch der Alltag bei mir zu Hause ist grundsätzlich entspannter geworden, da ich meinen Kindern mehr Raum gebe. Unsere Gespräche sind konstruktiv und ohne Vorwürfe. Ich begann auf die Art meiner Kommunikation zu achten und lerne jeden Tag dazu. Da ich als Mensch eher eine offene und extrovertierte Person bin, war mir vieles, gerade in puncto Sprache, nicht bewusst. Dank der Übungen lerne ich jeden Tag mehr, aktiv zu zuhören. Und in Situationen, die für mich persönlich stressig sind, ziehe ich mich zurück und mache die Körper- und Atemübungen in einer Kurzversion. Sie sind leicht in den Alltag zu integrieren und spenden viel Kraft.