Fehler gehören zum Lernen dazu. Fehler sind Entwicklung. Jeder Mensch macht Fehler. Das klingt so gut und einfach – und ich erlebe es doch so oft anders.
Ich habe Angst, dass die anderen lachen. Ich habe Angst, etwas falsch zu machen. Es ist mir peinlich, Englisch zu sprechen. Ich will nicht vor anderen ein Gedicht aufsagen oder einen Text vorlesen. Das höre ich immer wieder in Gesprächen mit meinen Schüler*innen.
Was macht es uns so schwer, Fehler zu machen? Sind es die Erwartungen der anderen oder sind es unsere eigenen Erwartungen?
Früher wurden Verfehlungen noch mit Schlägen bestraft. Vielleicht sitzt das noch ganz tief in uns, auch wenn es eine Prügelstrafe nicht mehr gibt. Aber Fehler machen konnte gefährlich werden.
Wie können wir heute mit dem Unbehagen, etwas falsch zu machen, umgehen?
Es ist wichtig, Kinder in ihrer Angst, vor anderen zu sprechen, ernst zu nehmen. Sie zu sehen, wenn sie Angst haben, ausgelacht zu werden. Und ihnen behutsam dabei zu helfen, einen anderen Umgang damit zu finden. Ein Du brauchst doch keine Angst zu haben, hilft leider nicht. Ein „Ah, so ist das also für dich“, zuhören und sich für die Gedanken der Kinder zu interessieren, das können wir machen.
Und ich kann den Blick auf mich richten. Wie ist es für mich, einen Fehler zu machen? Wie gehe ich mit meinen Fehlern um? Kann ich zu ihnen stehen? Kann ich Verantwortung übernehmen, für ein Missgeschick, das mir passiert ist? Kann ich dazu stehen, etwas nicht zu wissen? Ich habe in den letzten Jahren oft die Erfahrung gemacht, dass mein Gegenüber erleichtert ist, wenn ich zu meinen Fehlern stehe oder dazu, etwas nicht zu wissen. Mitunter fragen mich meine Schüler*innen, wie denn noch mal die schriftliche Division funktioniere. Puuhhh, lange nicht mehr gemacht, weiß ich nicht, muss ich auch noch mal nachschauen. Fast erkenne ich eine Freude auf den Gesichtern, auch ein bisschen Ungläubigkeit: Johanna weiß etwas nicht! Wie erleichterndes für die Kinder ist, das zu erleben. Und wie wichtig, zu erleben, wie ich damit umgehe. Und ja, mitunter ist eine Deutschstunde mal in die Hose gegangen: Ich war unstrukturiert, die Spiele haben nicht funktioniert, ich habe es nicht geschafft, für eine ruhige Atmosphäre zu sorgen. Im Abschlusskreis kann ich den Kindern sagen, was mirschwer gefallen war – und erlebe es als erleichternd, wenn ich sage, dass ich mit der Stunde unzufrieden bin, es einfach nicht geklappt hat. Das auszusprechen hilft auch mir sehr.
Wenn ich will, dass sich in der Gesellschaft der Umgang mit Fehlern verändert, dann sollte ich zuhören, wenn jemand Angst vor Fehlern hat – und bei mir selbst anfangen.
Johanna Etzold
Lernbegleiterin, Psychologin und Mutter von drei Kindern
Vermittlungsteam von Empathie macht Schule
Titelphoto:privat