17. Februar 2022 | johanna etzold

Stell Dir vor es ist anstrengend und jemand sagt: „Ja, das ist es“

Seit zwei Jahren findet Schule unter besonderen Umständen statt. Wechselunterricht, online Unterricht, mit Maske, ohne Maske, fünf Mal testen, drei mal testen, hybrider Unterricht, Quarantäne. Allein das Aufschreiben macht mich atemlos. Und es scheint kein Ende zu nehmen. Denn da ist noch der Rahmenplan, der Übergang in weiterführende Schulen, Abschlüsse, all das soll reibungslos stattfinden. 

Manchmal komme ich mir in den letzten Wochen vor, als würde ich einen Marathon laufen, für den ich jedoch nie trainiert habe. Ich kenne nicht mal das Ziel, kann gar nicht sagen, bei welcher Kilometerzahl ich bin. Mitunter habe ich auch das Gefühl, ich bin in einer Stunde bei einer sehr strengen Ballettlehrerin. Sie lässt mich ununterbrochen einen Spagat zwischen dem Rahmenplan und den äußeren Umständen machen. Und beim Sport ist es ja tatsächlich, der Atem, der mir beispielsweise hilft, mich zu dehnen oder anzuspannen. 

Vielleicht ist das Ziel einfach nur das Ende der Pandemie? Oder das Ziel ist die Schüler:innen halbwegs unbeschadet durch diese Zeiten zu bringen? Oder doch alles zu unterrichten, was der Plan vorgibt? Für jeden und jede von uns ist es vermutlich etwas anderes. Für uns alle ist die Suche nach der Antwort darauf, jedoch eine zusätzliche Belastung, die häufig Auswirkungen auf unser Wohlbefinden hat. Und somit auch auf unsere Arbeit mit den Kindern und Kolleg:innen.

Bei diesem beruflichen Spagat ist es für mich, wie beim Ballett auch, immer wieder der Atem, der mir dabei hilft, die Situation zu bewältigen. Bewusstes Atmen verschafft mir Pausen, gibt mir die Möglichkeit mich mit meiner inneren Gedankenwelt und ihren Auswirkungen zu beschäftigen. Und immer wieder auch die Bewusstheit darüber zu haben, dass es nicht immer Lösungen gibt. So wie es eine Kollegin neulich meinte, es gehe ihr in einem Konflikt oder einer herausfordernden Situation nicht mehr wie früher per se um die Suche nach Lösungen. Die Dialogübungen, das Zuhören und Spiegeln des Empathietrainings führten bei ihr aber dazu, dass sich in ihr etwas lösen kann. 

Und ich dachte, „Ja!“ Dazu gehört auch für meinen Unmut und den der Kinder keine Lösung zu finden, sondern ihn anzuerkennen. Denn, ja, es ist anstrengend den ganzen Tag Maske zu tragen, sich drei Mal in der Woche zu testen. Mich strengt es an, mit Maske vorzulesen, deutlich und laut zu sprechen, präsent zu sein. Wie sollte das für sie also anders sein? Und statt einem, „Komm reg dich doch nicht so auf, wird schon wieder“, möchte ich einfach nur sagen: „Ja, es ist gerade anstrengend und wir machen es.“

Niemand kann das Gefühl wegmachen, so gerne er oder sie auch mit einer Lösung um die Ecke kommen möchte. Mich eingeschlossen. Aber wenn ich diesen Satz höre, dann löst sich etwas in mir. Und nichts ist entspannender für mich, wenn mein Gegenüber ein Ohr für mich hat und mich in meinem Ärger, meiner Frustration und manchmal auch meiner Verzweiflung sieht und einfach nur da ist und zuhört. 

Und damit sich auch in den Kindern etwas lösen kann, ist es wichtig mit ihnen im Dialog zu sein. Zu hören, was sie bewegt, wie sie die Zeit erleben, in der wir uns gerade befinden. Anzuerkennen, dass sie Schule und Elternhaus aus ihrer kindlichen Perspektive erleben. Das macht Verbundenheit spürbar und hilft das unbekannte Ziel zu erreichen.

portrait Johanna Etzold

Johanna Etzold
Lernbegleiterin, Psychologin und Mutter von drei Kindern
Vermittlungsteam von Empathie macht Schule


Titelphoto: privat