Der Krieg in der Ukraine hat vor zwei Wochen begonnen. Meine Gedanken sind seitdem bei den Menschen, die ihr Zuhause verlassen müssen, um ihre Kinder und ihr Leben zu schützen. Meine Gedanken sind auch bei den Menschen, die in ihrem Zuhause bleiben, weil das ihre Heimat ist. Was macht das mit den Kindern? Was macht das mit unseren Kindern hier, die zwar in Sicherheit sind, aber dennoch Angst und Sorge haben?
Viele Kinder und Jugendliche sind ohnehin schon in Angst und Sorge um eine sichere Zukunft: die Klimakrise, Umweltverschmutzung, die Corona-Pandemie. Ich begleite in den letzten zwei Jahren so viele Kinder und Jugendliche mit ihren Familien, die unter Panikstörungen leiden, wie nie zuvor.
Laut der UN Kinderrechtskonvention haben Kinder ein Recht auf Schutz vor Gewalt und im Krieg und auf der Flucht besonders geschützt zu werden. Kinder haben ein Bedürfnis nach einer sicheren Zukunft.
Und nun? Nun ist Krieg. Dieser Krieg macht Angst. Mit der Angst kommen Fragen.
„Du musst keine Angst haben!“ In den letzten Tagen habe ich Gespräche aufgeschnappt, aber auch konkret begleitet, in dem Erwachsene so gern den Kindern und Jugendlichen die Sorgen nehmen wollen und je nach Alter der Kinder reagierten, in dem sie ihnen gut zugeredet haben. Sicher, es kann sehr schwer sein, die richtigen Worte zu finden und Sorge zu haben, die Angst zu verstärken. Gerade wenn die eigene Angst doch auch groß ist.
Kinder spüren, wenn wir nicht aufrichtig sind. Von dem Satz „Du brauchst keine Angst haben“ ist jedoch noch nie Angst weg gegangen. Und auch kein furchtbarer Zustand hat sich dadurch je verändert.
Wir können aber die Sorgen und Fragen der Kinder und Jugendlichen ernst nehmen, sie mit dem Gesprächsbedarf und den dazugehörigen Gefühlen nicht allein lassen.
Wir können Zuhören:
- wie es dem Kind/Jugendlichen mit der Kriegssituation geht
- welche Gefühle, Ängste und Sorgen auftauchen und wo sie zu spüren sind
- wann die Gefühle groß sind und wann sie kleiner werden
- je nach Alter, was das Kind über den Krieg weiß oder gehört hat
- welche Fragen es hat
- was können wir tun? Als Familie, als Gemeinschaft um zu helfen – dem Kind/Jugendlichen und in der Ukraine
Und wir haben die Möglichkeit den Kindern altersgerecht zu erklären, was gerade passiert. Und uns dabei so präzise und sachlich wie möglich auszudrücken. Wir können unserem Kind oder den Kindern mit denen wir arbeiten davon erzählen, wie wir die Lage einschätzen.
Kleineren Kindern kann es helfen die Angst zu personifizieren:
- Wie sieht sie aus?
- Wie fühlt sie sich an?
- Wie schaut sie?
- Was sagt sie?
- Vielleicht ist es möglich, die Angst für eine Zeit in eine Kiste zu sperren? Oder ihr ein Eis zu geben, damit sie still werden kann und sich beruhigt?
In der pädagogischen Arbeit kann es zusätzlich passieren, dass wir mit Retraumatisierung konfrontiert werden, denn es gibt Kinder und Jugendliche, die vor einigen Jahren aus Kriegsgebieten hierher gekommen sind oder ganz andere Gewalt- und Fluchterfahrungen gemacht haben und nun bewusst oder unbewusst daran erinnert werden. Hier glaube ich, ist es notwendig, dies im Kopf zu behalten und auf Verhaltensänderungen besonders empathisch und feinfühlig zu reagieren und die Kinder gut in ihren Gefühlen zu begleiten.
Zusammengefasst bedeutet das:
- Höre gut zu
- Nimm die Sorge ernst
- Gib Auskunft
- Sei sensibel
- baue emotionale Stärke und Selbstgefühl auf:
- ich bin in der Lage meinen Alltag zu bewältigen
- ich habe freundliche Menschen um mich herum
- ich habe Angst, aber ich bin nicht alleine
- es ist ok, alle Gefühle die da sind zu fühlen
- ich kann etwas tun
Corinna Simpson
Kinesiologin, Montessori-Pädagogin und Familientherapeutin
Vermittlungsteam von Empathie macht Schule