Einige meiner Schüler nehmen zur Zeit nicht am Präsensunterricht teil – aus den unterschiedlichsten Gründen. Mitunter kommt es unter uns im Kollegium zu Diskussionen darüber. Zumal wir bei einigen Eltern die Gründe kennen, ihre Meinung nicht immer teilen, und eher die Notwendigkeit sehen, dass ihre Kinder die Schule besuchen.
Natürlich soll es hier keinesfalls um die Beweggründe gehen, sein Kind nicht in die Schule zu schicken. Mein Blick geht zu den Kindern und in welch schwieriger Situation sie sich befinden. Mitunter hab ich das Gefühl, dass ein Riss durch die Gesellschaft geht. Ich höre von Freundschaften, die zerbrechen, von Eltern, die sich nicht einig sind, von Forderungen aus der Elternschaft an die Pädagoginnen und Pädagogen, sich in die ein oder andere Richtung zu positionieren. Auch von großer Unterschiedlichkeit im Kollegium. Plötzlich ist alles Politik.
Manchmal stell ich mir dann die Kinder vor, wie sie von einem zum anderen schauen. Wie auf dem Tennisplatz. Alles wird über ihre Köpfe hinweg entschieden und einige erleben sicher einen Konflikt zwischen dem, was ihre Eltern sagen und dem, was die Lehrerinnen und Lehrer an Maßnahmen verlangen.
Angesichts dessen fühle ich mich manchmal ohnmächtig. Ich möchte so gern auch die Kinder hören, ihre Ideen und Vorstellungen einbeziehen in unser Handeln. Im Moment jedoch bleibt mir nur, zu vermitteln: den Kindern Raum zu geben, ihnen zuzuhören und gemeinsam mit den Eltern zu versuchen, das Wohl der Kinder im Auge zu behalten – unabhängig von der Einstellung, die wir vertreten.
Was ist für die Kinder in diesem Moment von Bedeutung? Wie geht es ihnen mit der ganzen Unterschiedlichkeit? Ich habe einige Schüler, denen ich die Zerrissenheit, das Hin und Her ansehe. Ich kann sehen, wie sehr sie diese Situation verunsichert. Diese Kinder sind zur Zeit oft in meinen Gedanken: wie kann ich sie unterstützen, in welcher Form kann ich für die da sein? Und in dem Moment geht es nicht um Bruchrechnung, Satzglieder oder Vokabeln. Es geht um das Befinden.
Ich will mir Zeit nehmen mit den Kindern zu sprechen, ihnen zuzuhören – und wenn sie nicht in der Schule sind, dann will ich mir Zeit nehmen, ihnen wenigstens über den Bildschirm zu begegnen.
Johanna Etzold
Lernbegleiterin, Psychologin und Mutter von drei Kindern
Vermittlungsteam von Empathie macht Schule
Titelphoto: privat.